Mittwoch, 28. Juli 2010

Bekloppte und andere

+++Sonntagnachmittag: Geburtstagsrunde, sitzt schon da. Typ kommt, und fragt nach Gläsern für eine hinterlegte Flasche Champagner, die sich als ordinärer Sekt herausstellt. Er bietet an, auch Aperol dazu zu bestellen. Aber wir sind ja nett. Immer und auch jetzt. So schnurpelt sich das weg. Bis es zur Zahlung geht. Etwas umständlich (Niemals selber versuchen, die Rechnung auseinander zu dividieren! Kellner=schneller.) und schließlich bin ich am auseinanderklamüsern. Doch was ist das? Ein großes Mineralwasser? Wie kommt das auf die Rechnung? Hin und her? Der Typ mit dem Wasser behauptet steif und fest, er hätte keins gehabt. Auch sonst hat er nichts zu zahlen, denn die Geburtstagsdame zahlt einen Teil. Und er diskutiert weiter, bis es mir zu blöd wird. Danach Nachfrage bei der Kollegin, die das ominöse Wasser herausgab. Ergibt: Der Typ hat ein Wasser ohne Kohlensäure bestellt. Ergo Mineralwasser. Das ist dreist. Und geizig. Sich einladen lassen und den Kellner auf nem Wasser sitzen zu lassen. Guter Stil geht - auch angesichts der Konzessionen: Fremdgetränke, Fremdessen, fremdartige Freundlichkeit - anders. Merke: Zuviel Freundlichkeit bringt nichts. Gar ncihts.+++Donnerstagabend: angeschossene Frau, die ihre besseren Tage schon hinter sich hat, kommt mit offensichtlich nicht trinkwilligem, ägyptischen Begleiter in die Kneipe und ordert schließlich zwei Doppelte. Wundert sich, dass sie die dann nicht loswird. Und lamentiert darüber, dass ja in Kreuzberg alles besser ist. (Dann verpiss dich nach Xberg!), stört fortlaufend die Unterhaltung des Kellners mit dem Tresengast. Wiederholte Hinweise auf diesen unfreundlichen Akt werden ignoriert. Ach? Sie wünscht Stress. Der Ton wird unfreundlicher. Schließlich verlassen die letzten Gäste den Biergarten. Nur sie sitzt noch da - mit einem Bier vom Kiosk. "Du gehst jetzt besser." - "Ich trink jetzt noch mein Bier aus!" - "Klasse, genau deswegen haben Kneipen bis in den Morgen auf: damit Gäste ihre mitgebrachten Biere in Ruhe trinken können." Geht rein, knallt das Bier auf den Tresen, dem Tresengast ein billiges, sexuelles Angebot an den Kopf und schließlich (nach der Auskunft "Ich bin stockschwul. Gerade geworden.") die Hand an den Hinterkopf. Etwas perplex fragt der Tresengast (1,85, 97 kg), ob sie noch alle habe. Darauf hin schubbst sie ihn und fragt, ob er noch alle habe. Daraufhin holt sie zum etwas ungelenken Tritt aus, der danebengeht. Dann also doch den Zuckerstreuer, den sie dem Tresengast an den Kopf zu werfen sucht. Und da heißt es immer, Männer könnten kein 'Nein' vertragen. Die gerufene Polizei verscheucht das Scheusal schließlich.+++Selber Abend: Stimme aus dem Rücken. "Grüß Gott." - "Oh, man, Gott ist nur ne Idee!" - "Aber Bier", so erkundigt sich die freundliche holländsich akzentierte Stimme, "ist real, oder?" - "Bier ist real." (...)+++Sonntagnachmittag: Nach Dienstantritt ne Runde mit Tablett. Griff auf den Tisch, paar Gläser einsammeln. "Wird ja Zeit, dass hier mal jemand den Tisch abräumt!" - Gucke in das Gesicht eines mäßig netten Menschen: "Aha!" - "Willst du jetzt unverschämt werden. (...) Ich habe bezahlt und bin beschissen von dir bedient worden." - "Ich bin seit fünf Minuten da, zum ersten Mal an deinem Tisch und räume Gläser ab, was ist dein Problem?" - "Du willst mich persönlich beleidigen (Aha zum 2.) blabla Aber dir zeig ichs schon blablabla So nen Scheißservice anzubieten" - Blick in die Runde: "Aber hier habt schon verstanden, was hier Sache ist, oder?" Gehe zur Kaffeemaschine, höre im Hintergrund am Tresen, wie der Typ sich beim abgelösten Kollegen weiter aufregt, der schon mal die Vase vom Tresen nimmt (Zuckerstreuer!) "Du hast mich scheiße bedient, und deshalb trinke ich jetzt zwei-drei Bier und die bezahlst du." - "Nö!" Jetzt gehts rund und drei der Kollegen des Wüterichs haben alle Mühe, ihn unfallfrei aus dem Laden zu kriegen, den er unter wüsten Beschimpfungen verlässt. Fünfzehn Minuten später kommt er nochmal vorbei. Fahhrrad, zwei Minipitbulls an der Leine, die den Kollegen freudig abzuschlecken versuchen. "Ich will ne Entschuldigung, du hast mich persönlich beleidigt. " - "Nö, [kurze Erklärung]" - "Dann werd ich mich rächen, nicht hier, nicht heute, aber es wird weh tun. Dein Gesicht merk ich mir."+++

Sonntag, 11. Juli 2010

Festival

+++Langes Wochenende auf einem Festivalbierwagen: tagsüber 35°C, drei Seiten offen, Durchzug garantiert – wir werden überleben.+++Schaum aus dem Hahn: ah, die Kühlung ist kaputt. Die von der Cola auch. Wenigstens läuft die zweite Hahngarnitur. Bis es auch schäumt. Muss wohl an der Hitze liegen.+++Dann geht das Licht aus. Die Elektroverteilung ist überfordert, alle Kühler sind wohl doch zuviel.+++Hinweis bei der Einweisung: „Ihr repräsentiert die Stadt, das Festival und den Hauptsponsor. Seid freundlich.“ Letztes Jahr waren wir so freundlich, dass mehrere von uns von angesoffenen Dorfprolls mehr oder weniger aufs Maul gekriegt haben. Die ersten Wetten diesbezüglich werden platziert.+++Tausend-Liter-Tanks statt 50-Liter-Fässern: gekühlt sind wir im Paradies.+++Rekord dieses Jahr: 22 handgestoppte Minuten ohne den Bierhahn zu schließen.+++Warmer Schnaps ist zur Stressbewältigung besser als kein Schnaps: Seit alle Kühler laufen und neue Stromverteilungen liegen, ist eigentlich alles gut. Außer, dass wir ohne Kühlzelle arbeiten.+++Mathematische Erkenntnis: das Radler-Diesel-Theorem. Würden alle Bier trinken, müsste keiner warten, da aber fast alle schäumende Cola, schäumende Sprite (ah: da ist sie wieder, die Kühlung), zwei Diesel und ein Radler (o. ä.) bestellen, kommt es zu Wartezeiten. Ansonsten gilt: 1. Wir verkaufen Bier. 2. Das Bier ist kalt. 3. Und wir sind schnell.+++Wenn permanent Mischgetränke bestellt werden, liegt es nicht an uns.+++Ein Traum in diesem Zusammenhang: Nur Bier verkaufen.+++Bierwagendusche: ein Becher Wasser übern Kopf und noch einer in den Nacken und schon geht’s wieder eine Stunde weiter.+++Der benachbarte Guinness-Stand veranstaltet sein eigenes kleines Public Viewing, ich mache Pause: „Wir sehen hier drüben nichts, wir hören auch wenig, jubelt ihr bitte, wenn ein Tor fällt? Aber nur, wenn es für Deutschland fällt.“ In diesem Moment brüllt alles. Müller, 3. Minute.+++Coole Kollegen funktionieren, auch für Späße, laufe gegen eine Kollegin, maule sie an, sie bläkt zurück. Hieraus entwickelt sich binnen kürzester Zeit ein Brüllduell, das einem Beziehungskrieg alle Ehre gemacht hätte. Während von der Bühne die PA brüllt, lachen sogar die Nachbarwagen. Wir WAREN laut. Und alle lachen.+++Sonntagmittag gehen die alkoholfreien Getränke aus: Coca Cola hat nicht geliefert, die Revolution bleibt trotzdem aus. Dafür trinkt die gesamte Standbesatzung ein Bier und skandiert „Wir haben Bier.“ Die nächsten zwei Stunden bestehen aus Trostspendung und Witzen über Radler.+++Dann ist der Schnaps alle: Das Festival nähert sich dem Ende.+++Abrechnung, nischt stimmt, massig miese, keine Erklärung: irre zum Abschlusskonzert (Leningrad Cowboys), fühle mich ohne Zapfhahn aber plötzlich merkwürdig nutzlos. In meiner Not helf ich noch ne Stunde aus. Und finde meine vor drei Tagen verlegte Sonnenbrille wieder. Heil.+++Und jetzt noch ein paar Regeln, damit es vor’m Bierwagen schneller geht:
1. Wenn jemand fragt: „Nur Bier?“, dann bestelle nur Bier, ansonsten wirst du weiter ignoriert. Niemand will Leerlauf und während man wartet, kann man auch noch ein paar Menschen glücklich machen. Aber nur mit Bier.
2. Selbiges gilt für die Frage: „Jemand nur zurück?“ – Wir wissen, was wir tun. Aber wir erklären es keinem. Das dauerte zu lange.
3. Wer diskutieren will, wartet weiter.
4. Ich kann lauter als du.
5. Nur weil einige Leute genau wie du auf Bier warten, heißt das nicht, dass du unfreundlich zu mir sein darfst. Ich habe dir nicht getan, sondern „1. Wir verkaufen Bier. 2. Das Bier ist kalt. 3. Und wir sind schnell.“ Und ICH sage meist „Bitte.“ Und „Danke.“ Sogar im dicksten Stress.